Das Graudenzer Kochbuch „Martha“, das hier in einer wissenschaftlich bearbeiteten und kommentierten Transkription seiner ersten Ausgabe von 1866 vorliegt, erzählt Sozial-, Wirtschafts- und Lokalgeschichte. Es erinnert an Zeiten, als der unverkennbare Duft von frischem Brot und Kuchen die Familie in die Küche lockte, aber auch an Zeiten, in denen Wäsche die ganze Woche in Anspruch nahm. Es spricht mit der Stimme seiner vergessenen Autorin und bewahrt die Erinnerung an Graudenzer Waisenmädchen, denen es als Lehrkochbuch diente. Es spiegelt die Begeisterung für die britische koloniale Küche ebenso wie das Festhalten an deutsch-polnischen kulinarischen Traditionen wider. Darüber hinaus betört es die Sinne durch die schiere Masse an Eiern, Butter und Mehl, die die Rezepte verlangen. Mit den Worten seiner ersten Herausgeber: „Es ist das Buch eine Liebesgabe für [das Graudenzer Waisenhaus] geworden. Möge es von hier auch in weitere Kreise übergehen und sich überall da einbürgern, wo die Hausfrau [und -mann] mit Liebe und Sorgfalt das Wohl der Ihrigen überwacht; da ist es an seinem Platz“.